SSL Zählmarke VG WORT

Beruf und Alltag eines deutschen Fluglotsen am Flughafen Hamburg

Beruf und Alltag eines deutschen Fluglotsen am Flughafen Hamburg

Am Flughafen Fuhlsbüttel, meinem dritten Airport, begann meine praktische Ausbildung in Flugplatz- und Anflugkontrolle (Aerodrome Control - TWR und Approach Control - APP). Zu dieser Zeit wurde man erst mit dem 21. Lebensjahr volljährig und viele der jungen Auszubildenden waren dies eben noch nicht. Aber das kümmerte die Behörde nicht. Im Gegenteil, man ignorierte es einfach. Bis zur Erlangung einer ersten Arbeitsplatzzulassung erhielt man eine Ausbildungshilfe in Höhe von 169 Mark. Diese FS-Stelle wurde von einem ehemaligen Angehörigen der damaligen Reichsflugsicherung verwaltet.

Da die 1956 in Betrieb gegangene Deutsche Lufthansa am Flughafen ihren Werftbetrieb eingerichtet hatte und dort auch den praktischen Lehrbetrieb für ihre Flugzeugführer durchführte, war das Verkehrsgeschehen meist recht fordernd. Mehrere Constellations, die gleichzeitig stundenlang für die Piloten-Umschulung Platzrunden flogen und Instrumenten-Anflüge probten, waren an der Tagesordnung. Die Hamburger Verbindungen führten nach Stockholm, Kopenhagen, Berlin, Moskau (KLM Goldtransporter), Zürich, Genf, Paris, London, Amsterdam, Oslo, Rio de Janeiro, Gander (Kanada) und anderen ebenso weitentfernten Zielen. In Hamburg trat ich 1958 dem Berufsverband Deutscher Flugleiter VDF bei. In der Freizeit begann ich Unterricht für Flugfunkzeugnisse zu geben und mein erster Kunde wurde ein ehemaliger Messerschmitt Me 163 (Kraftei) Pilot.

Radar wurde damals in Hamburg nur vereinzelt für die Instrumenten-Anflüge benutzt, da ein Instrumenten-Anflugsystem (ILS) zur Verfügung stand. Der Platz war 24-Stunden in Betrieb. Weniger Protest der Bürger löste ein Kofferregen aus, als eine PAA Maschine nach Berlin in ihrer Steigflugkurve über dem Jungfernstieg alle Gepäckstücke verlor. Man hatte die Ladeluke nicht richtig verschlossen.

Ein erster Beinahe-Unfall führte zu meinem steigenden Zweifel am Sicherheitsbewußtsein in diesem beruflichen Umfeld, nachdem nachts ein Charterflug einer Vickers Viking aus Mallorca wegen Hydraulikschaden nicht bremsen konnte und bis vor die Vorgärten der angrenzenden Häuser rollte. Die Feuerwehr erklärte, sie habe nicht ausfahren können, um Hilfe zu leisten, da man geschlafen habe und noch nicht angezogen gewesen sei. Deshalb habe man nicht auf meinen Alarm reagiert. Meine Zweifel am sinnvollen Funktionieren des ganzen Systems begannen zu wachsen. Das sollte sich später noch erheblich steigern.

Nach dem Erwerb erster örtlicher Zulassungen in 1958 in der Anflug- und Flugplatzkontrolle (APP und TWR) erfolgte am 2.1.1959 wegen Aufmuckens aufgrund mangelnder Fürsorge seitens der Anstalt ohne Vorwarnung meine plötzliche Versetzung zu einer Flugverkehrskontroll-Zentrale der US-Luftwaffe mit der Bezeichnung „Rhein Control“. Als noch nicht volljähriger deutscher Staatsangehöriger war ich zunächst ratlos. Ich war ja in der BRD als Deutscher wehrpflichtig und sollte gerade für die Bundeswehr gemustert werden.

Da diese Versetzung ohne jegliche vorherige Information durch die Flugsicherungsbehörde von einem Tag auf den anderen und ohne Beteiligung des Personalrats (heute Betriebsrat) und Zustimmung meinerseits stattfand sowie ohne jegliche schriftliche Unterlagen, entstanden mir bald erste ernsthafte Zweifel am korrekten und rechtmäßigen Handeln der Behörde und an der Art der Behandlung ihrer Angehörigen. Im Januar 1959 war ich gerade 20 Jahre alt. Auch schien mir diese Versetzung zu einer FS-Bezirkskontrollzentrale unverständlich, denn meine Ausbildung hatte sich bis dahin auf die Flugplatz- und Anflugkontrolle bezogen.

Lesen Sie mehr über dieses Thema:
Fliegen ist sicher!
Band 5, Beruf und Alltag eines deutschen Fluglotsen in den Jahren von 1957 bis 1984
Graustufendruck: https://www.amazon.de/dp/1542508584
Farbdruck: https://www.amazon.de/dp/1542508525

Flugsicherung

Die umfassende Dokumentation über den Luftverkehrsdienst Flugsicherung. Eine Buchreihe in mehreren Bänden, die von Frank W. Fischer im Verlag der International Advisory Group Air Navigation Services (ANSA) herausgegeben wurde.

Artikel