Im Gegensatz zur BRD verblieb die übergeordnete Zuständigkeit über die Flugsicherung in der DDR weiterhin bei den russischen Stationierungsstreitkräften (GSSD). Nun, zum Zeitpunkt der politischen Wende in der DDR und folgenden Wiedervereinigung beider Staaten galt es das in der DDR angewendete System der Unterstellung der Flugsicherung unter militärische Zuständigkeit auf den Kopf zu stellen. Am 3.10.1990 wurden beide Teile Deutschlands in Bezug auf ihre Lufthoheit endgültig souverän und die Flugsicherung kam unter zivile Verwaltung. Dieser Umstand, bzw. rechtliche Zwang brachte für die von den an den „2+4 Gesprächen“ beteiligten Parteien beschlossene Übergangszeit bis 1994 erhebliche Probleme mit sich.
Die BFS benötigte weiterhin die Unterstützung der westlichen Alliierten in Berlin und zum anderen war sie als zivile Behörde mit den Aufgaben zur Rückführung der sowjetischen Luftstreitkräfte völlig überfordert. Da die Flugsicherung in der DDR, ob zivil oder militärisch, wie bereits gesagt bis zum Ende dieses Staatswesens immer unter militärischer Zuständigkeit arbeitete, wurde es zur Aufgabe der Bundeswehr, nicht nur den vereinbarten Abzug der sowjetischen Luftstreitkräfte zu bewältigen, sondern auch zu helfen, die Umwandlung des FS-Systems in ein ziviles zu unterstützen.
FS-Stellen wurden gemeinsam besetzt, so wie u.a. die Luftraumkoordinierungsstelle in Wünsdorf und im Berlin ACC. Die neue Luftraumordnung wurde gemeinsam konzipiert und ab 1993 wurde der militärische FS-Dienst in der neu gegründeten Deutsche Flugsicherung GmbH voll integriert und von da ab unter ziviler Verwaltung geleitet. Die FS-Dienste an den militärischen Flugplätzen blieben weiterhin an die betroffenen Luftwaffen delegiert.
Was die Wiedererlangung der Lufthoheit durch die Wiedervereinigung betrifft und die damit zusammenhängenden Aspekte des Luftraums und der Flugsicherung sind die unter dem sogenannten „2 + 4 Vertrag“ am 12.9.1990 getroffenen Vereinbarungen der Vertreter der USA, Großbritanniens, Frankreichs, der UdSSR, der BRD und der DDR von Bedeutung. Die damit erzielten abschließenden Regelungen zu Deutschland hatten unter den Artikeln 4 und 7 des Vertrags direkte Auswirkung auf den Luftraum, das Luftrecht, den Flugverkehr und die Flugsicherung.
Dies bildete die Rechtsgrundlage und führte zur Einrichtung einer gemeinsam zu betreibenden „Luftraumkoordinierungsstelle“ (LUKO) nach sowjetischem Vorbild, d.h. einem Zentrum zur „Leitung der Flüge“, genannt SZUWD. Mit dieser gemeinschaftlich zu betreibenden gemischt militärisch/zivilen Stelle betrat man politisches Neuland. Die Deutsche Luftwaffe war beauftragt, den militärischen Flugbetrieb der noch vier Jahre lang im Lande verbleibenden sowjetischen Streitkräfte und deren schrittweisen Abzug zu koordinieren, während die eigenen vorherigen Streitkräfte (NVA) aufgelöst wurden. Die Koordinierung des zivilen Allgemeinen Flugverkehrs oblag dem Vertreter der noch bis 1993 bestehenden Bundesanstalt für Flugsicherung, unterstützt durch INTERFLUG FS-Berater.
Die 1945 von den Vier Alliierten eingerichtete Luftsicherheitszentrale in Berlins bestand bis zum letzten Tag vor der Wiedervereinigung. Diese Zentrale diente sowohl der von der US-Luftwaffe in Westberlin betriebenen FS-Bezirkskontrollzentrale Berlin ARTCC als auch der von der DDR INTERFLUG betriebenen FS-Anflugkontrollstelle Schönefeld APP.
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Die Entwicklung der Flugsicherung in Ostdeutschland von 1945 bis 1990
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