Im Frühjahr 1981 beendete ich mein Beschäftigungsverhältnis mit der Behörde. Ich bin kein Beamter mehr und beginne mit meinen ersten Schritten in die Selbständigkeit. Nachdem ich nun nach 25 Jahren die Behörde verlassen hatte, wartete ich auf ein abschließendes Dienstzeugnis. Aber es kam keines. Es bedurfte dreier Mahnungen bis nach einem dreiviertel Jahr endlich eines erstellt war. Aber das schützte mich nicht vor einer Klageandrohung der Bundesanstalt für Arbeit wegen Falschaussage, da ich behauptet hatte, 25 Jahre als Flugverkehrsleiter bei der BFS gearbeitet zu haben. Die Behörde hatte dahingegen der BfA bestätigt, dass ich bei ihr 12 Jahre lange als Programmierer beschäftigt gewesen sei. Man mußte also noch einmal über die Bücher. Da ich ja nun ohne Arbeitsverhältnis war, sprach ich beim Arbeitsamt vor, um zu erfahren, dass alle meine als Angestellter jahrelang geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung durch mein freiwilliges Ausscheiden aus der Behörde als dem deutschen Staat geschenkt galten. So unglaubhaft sich dies auch anhörte, so lauteten damals die Regeln. Das sah nicht nach einem problemlosen Neuanfang aus.
Im Laufe der Jahre wurde ich in den verschiedensten Luftfahrt-Berufsvereinigungen und Verbänden Mitglied, von denen viele bald nicht meinen Vorstellungen über die wahre Zielsetzung entsprachen. Manche Mitgliedschaften hielt ich über ein bis zwei Jahrzehnte aufrecht. Ihrer Vielfältigkeit halber sollen hier einige genannt werden. Mein erster Beitritt erfolgte zum „Verband Deutscher Flugleiter - VDF“, gefolgt von der amerikanischen „Air Traffic Control Association - ATCA“, dem „Deutschen Aero Club - DAeC, der „Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation - DGON“, den Gewerkschaften „Deutsche Angestellten Gewerkschaft - DAG“ und „Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr - ÖTV“, der amerikanischen „Aircraft Owners & Pilots Association - AOPA“ und der „Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt - DGLR“.
1971 wechselte ich zur Erprobungsstelle der BFS in Frankfurt gegen das Versprechen keine Klage vor Gericht gegen der Präsidenten der Behörde zu erheben. Dort hatte ich 1969 schon einmal drei Monate zugebracht, um eine Verkehrszählung durchzuführen. Nun gab es keinen aktuell ablaufenden Flugverkehr mehr, der das Tempo des Arbeitsablaufes bestimmte. Hier herrschte „Behörden-Alltag“ und man erschien um 0745 Uhr zum Dienst. Damit waren auch 13 Jahre Schichtdienst vorbei und ein normaler Tagesablauf begann. Nun war ich doch noch Beamter geworden, was mir wegen fehlender Rechte zwar nicht gefiel, aber im wesentlichen, wie ich damals glaubte, keinen Unterschied machte.
Jetzt arbeitete man zwar weiterhin im gleichen Luftraum, aber seit April 1968 vom Flughafen Frankfurt aus. Die eigentlichen Arbeitsbedingungen waren eher schlechter als zuvor. Schlimmer war der Mangel an Personal. Man mußte zu oft auch in hohem Verkehrsaufkommen zwei Arbeitsplätze (Kontrolle und Koordination) über mehrere Stunden hinweg gleichzeitig besetzen. Das artete oft genug in einer Hetze nach Sekunden aus, denn man hatte mit den angrenzenden Stellen zu telefonieren, den Funkverkehr zu führen und die Verkehrslage auf dem Radar zu verfolgen. So ist es leicht, sich vorzustellen, wieviel Zeit für Planung und Ausführung zur Staffelung übrigblieben, wenn innerhalb von 22 Minuten 44 Flüge den Streckenpunkt Frankfurt in nur 8 Flugflächen passierten.
Am 2. Januar 1959 traf ich abends im tief verschneiten Birkenfeld im Hunsrück an. An den folgenden beiden Tagen erfuhr man, dass man mit Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums von der BFS auf unbestimmte Zeit im Rahmen eines noch abzuschließenden Staatsvertrags zwischen den USA und der BRD als Flugverkehrsleiter für militärischen und zivilen Flugverkehr im oberen Luftraum Süddeutschlands (über 6100 m) bei der US-militärischen Flugsicherungszentrale „Rhein Control“ auf dem Erbeskopf arbeiten würde. Man genieße seitens der US-Luftwaffe Offiziersstatus. Das Gehalt werde in etwas reduzierter Höhe weiterhin von der BFS in DM gezahlt. Ob man auch den Innenminister befragt hatte, blieb unbeantwortet. Am zweiten Tag wurden die militärischen Vorgesetzten, meist alle im Offiziersrang, durch den US-Luftwaffen-Major der Zentrale vorgestellt. Diese FS-Zentrale spielte in den Jahren des Kalten Krieges hinter den Kulissen eine dominierende Rolle in der militärischen und zivilen Flugsicherung in Süddeutschland.
Am Flughafen Fuhlsbüttel, meinem dritten Airport, begann meine praktische Ausbildung in Flugplatz- und Anflugkontrolle (Aerodrome Control - TWR und Approach Control - APP). Zu dieser Zeit wurde man erst mit dem 21. Lebensjahr volljährig und viele der jungen Auszubildenden waren dies eben noch nicht. Aber das kümmerte die Behörde nicht. Im Gegenteil, man ignorierte es einfach. Bis zur Erlangung einer ersten Arbeitsplatzzulassung erhielt man eine Ausbildungshilfe in Höhe von 169 Mark. Diese FS-Stelle wurde von einem ehemaligen Angehörigen der damaligen Reichsflugsicherung verwaltet.
Ich erschien am neuen 1955 eröffneten Flughafen Nürnberg zur anderthalb monatigen Einweisung in die Flugsicherungsdienste zusammen mit etwa 20 anderen Anwärtern zur Ausbildung als Flugleiter. In Nürnberg kam ich nun zum ersten Mal mit Flugzeugen in Kontakt. Noch flogen Nürnberg nur wenige Fluggesellschaften an, so wie u. a. die neue Lufthansa, Pan American Airways, Air France und British European Airlines, von denen die letzten drei den Flugverkehr nach Berlin-Tempelhof bestritten. Die Flugplatzkontrolle wurde ausschließlich von zivilen BFS - Flugleitern durchgeführt. Flugverkehr von den anderen im Nürnberger Nahverkehrsbereich TMA gelegenen US-Armee Flugplätzen wie Roth, Erlangen, Herzogenaurach, Ansbach usw. wurde von Nürnberg geleitet.
Warum ein Bericht über einen Beruf aus einer Zeit in der es kaum Festnetz-Telefonanschlüsse gab, Mobil-Telefone unbekannt waren, Deutsche erst seit kurzem wieder fliegen durften, EDV ein unbekannter Begriff war, Radar eine rein militärische Sache und Turbo-Jet Flugzeuge gerade erst zum Einsatz kamen?
Es handelt sich um den „Air Traffic Controller“ oder Flugverkehrsleiter, in Deutschland Flugsicherungslotse oder Fluglotse, in der Schweiz Flugverkehrsleiter und in Österreich Flugkontrollleiter genannt, der einzige Beruf der im Nachkriegsdeutschland, einem geteilten Land, nach rein internationalen Vorschriften und in englischer Sprache ausgeübt wird, schon seit der Zeit als es noch gar keine BRD und auch keine DDR gab. Es war die Zeit ab 1945 als es nur Militärregierungen gab; eine amerikanische, eine britische, eine französische und eine sowjetische.